Warum wir Rassismus als Rassismus benennen
Das Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick ist ein Ort der politischen Bildungsarbeit im Bezirk und unterstützt Initiativen und Netzwerke in ihrem Engagement für demokratische Entwicklungen sowie gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und weitere Ideologien der Ungleichwertigkeit. Aufgrund unserer langjährigen Auseinandersetzung mit ebensolchen Ideologien, sind wir uns bewusst, welch großen Einfluss die Nutzung von Sprache und der alltägliche Sprachgebrauch bei der (Re-)produktion von Ungleichwertigkeit spielen. Sprache ist machtvoll und beschreibt nicht nur, sondern reproduziert häufig auch diskriminierende Verhältnisse oder schreibt diese fest. Das Zentrum für Demokratie und andere Institutionen und Einrichtungen nutzen beispielsweise die sogenannte „Gender_Gap“, um auch sprachlich darauf hinzuweisen, dass Geschlecht kein binäres Gefüge von Männern und Frauen ist, sondern eine Vielzahl geschlechtlicher Identitäten umfasst.Wenn dies im Sprachgebrauch nicht benannt wird, macht es all jene unsichtbar, die nicht durch eine maskuline Form wie „Bürger“ angesprochen werden. Aushandlungsprozesse um Begrifflichkeiten und Sprache zeigen sich zudem vermehrt, wenn es um die Themenbereiche Asyl, Flucht und Migration sowie Gewalt gegen Menschen geht, die nicht als Teil der mehrheitsdeutschen Bevölkerung angesehen werden.
Asylkritiker_innen und –gegner_innen
Gerade in den letzten Wochen beschäftigen sich die Feuilletons renommierter Zeitungen mit einem Begriff, der die auflodernde Gewalt und Menschenfeindlichkeit bei Protesten gegen Geflüchtete und Unterkünfte für Asylsuchende verharmloste: Asylkritiker_innen oder Asylgegner_innen. Der Begriff „Asylkritik“ lässt sich thematisch einordnen mit dem Beginn der Pegida-Bewegung 2014 und der steigenden öffentlichen Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Asylsuchende. Schon im Juni hat die Opferberatung des RAA Sachsen aufgrund der Übergriffe und Proteste in Freital in einem Interview darauf hingewiesen, dass es fehl am Platz sei, in diesem Kontext von „besorgten, asylkritischen Bürgern“ zu sprechen.Denn, so führt es Daniel Hugendick in einem Kommentar in der „Zeit“ aus, die Begriffe suggerieren eine Meinungsverschiedenheit, als ginge es um etwas, dass es zu verhandeln gilt, und nicht um ein Grundrecht. Auch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat dies erkannt und wird folgend die Wörter nicht mehr verwenden. Dies hängt damit zusammen, so der Sprachwissenschaftler Anatol Sefanowitsch, dass der Begriff „Asylkritik“ verharmlosend und euphemistisch ist. Er führt aus, dass nicht nur die Menschen, die damit benannt werden, Rassismus verharmlosen, sondern auch der Begriff der Asylkritik selbst es faktisch schon tut.
Auch hier ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass sich die sprachliche Dimension von Diskursen auf politischer Ebene niederschlägt und umgekehrt, denn eine steigende Anzahl von Angriffen, Demonstrationen und Anschlägen auf Geflüchtete, Asylsuchende und Migrant_innen wird hierdurch in ihrer Gefährlichkeit als Angriffe auf demokratische Strukturen und Prozesse verharmlost und zu „Kritik“. Deswegen sieht es das Zentrum für Demokratie als relevant an, rassistische und rechts motivierte Kommentare und Übergriffe auch als solche zu benennen. Wir lehnen daher die Nutzung der Begriffe ab.
Fremdenfeindlichkeit
Im Kontext von Übergriffen und Diskriminierungen gegenüber Geflüchteten, Asylsuchenden und Migrant_innen wird häufig von „Fremdenfeindlichkeit“ oder auch, wenn weit weniger in den letzten Jahren, von „Ausländerfeindlichkeit“ gesprochen. In der schon benannten Debatte um rassistische Mobilisierungen und Demonstrationen gegen Flüchtlinge äußert sich die Deutsche Presse-Agentur (dpa): „Und wenn wir einen übergreifenden Begriff für die Gesinnung brauchen, die zu diesen Formen des Protestes führt, wird es am ehesten ‚Fremdenfeindlichkeit’ [sein].“ Wir sehen den Begriff Fremdenfeindlichkeit auch im Kontext der aktuellen Debatte aus unterschiedlichen Gründen als ungenau an. Es wird suggeriert, dass die Motivation der Täter_innen Ausgangspunkt der Benennung ist, allerdings wird der Fokus auf die Betroffenen verschoben, die aufgrund eines zugeschriebenen Merkmals als „fremd“ gesehen werden (und dadurch angeblich individuelle Feindlichkeit hervorrufen). Zum anderen werden durch Sprache immer wieder reale Ausschlüsse produziert und Macht ausgeübt – so z.B. die Macht zu definieren, wer „fremd“ ist und wer nicht, wer als solches wahrgenommen wird und wo die Differenzierung beginnt.
Zur Problematik der Begriffsnutzung von Fremdenfeindlichkeit führt das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in NRW (IDA) aus: „Dabei wird übersehen, dass nicht alle Betroffenen Ausländerinnen und Ausländer oder Fremde sind: Weiße Amerikanerinnen sind in Deutschland nicht von "Ausländerfeindlichkeit" betroffen, während Schwarze Deutsche keine Ausländer sind, sehr wohl aber von rassistisch motivierter Gewalt betroffen sein können.“
Ein weiterer Punkt, warum wir es als wichtig erachten, von Rassismus statt Fremdenfeindlichkeit zu reden, ist die gesellschaftliche Dimension, welche Rassismus möglich macht. Während Fremdenfeindlichkeit suggeriert, dass es um das Fehlverhalten Einzelner geht, die „den Anderen“ oder „den Fremden“ feindlich gegenüberstehen, lässt sich dadurch weder die strukturelle noch die institutionalisierte Diskriminierung gegenüber von Rassismus Betroffenen thematisieren. Diskriminierungserfahrungen, die Menschen tagtäglich bei Behördengängen machen, Racial Profiling bei der Bundespolizei oder der eingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt bei Geflüchteten mit Duldung lassen sich nicht durch den Begriff der „Fremdenfeindlichkeit“ erklären. Wir sehen Rassismus als gesellschaftliches und diskursives Verhältnis, welches auch auf gesellschaftlicher Ebene thematisiert werden muss – denn so können Einstellungsmuster Einzelner nicht außerhalb des gesamtgesellschaftlichen Kontextes betrachtet werden.
Daher wollen wir gerne von Rassismus sprechen. Und nicht andere Begriffe dafür verwenden.
(Stand: Oktober 2015)
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